Ohne Belichtung keine Fotografie.
Die Belichtung ist für die Fotografie so wichtig wie der Pinsel für die Malerei, Hammer und Meißel für die Bildhauerei, der Stift für die Schriftsteller*in.
Das Belichtungsdreieck erklärt dir schematisch, wie du das Handwerkszeug der Fotografie für deine Bilder sinnvoll einsetzt.
Denn erst im Zusammenspiel von Blende, Belichtungszeit und Lichtempfindlichkeit(ISO) bannst du das Licht nach deinen Wünschen auf dem Sensor.
Für weitere Tipps, Tricks und Informationen rund um die Fotografie, melde dich für meinen Newsletter an. So bekommst du außerdem mein E-Book „6 einfache Rezepte für herausragende Fotos“ kostenlos:
Das Belichtungsdreieck in der Übersicht
Beginnen wir kurz mit der Theorie.
So sieht das Belichtungsdreieck aus:
Erklärung
- offene Blenden ermöglichen dir: eine kurze Belichtungszeit und/oder eine niedrige Lichtempfindlichkeit.
- geschlossene Blenden erfordern: eine lange Belichtungszeit und/oder eine hohe Lichtempfindlichkeit
- lange Belichtungszeiten ermöglichen: eine geschlossene Blende und/oder eine niedrige Lichtempfindlichkeit
- Kurze Belichtungszeiten erfordern: eine offene Blende und/oder eine hohe Lichtempfindlichkeit
- niedrige Lichtempfindlichkeiten erfordern: eine offene Blende und/oder eine lange Belichtungszeit
- hohe Lichtempfindlichkeiten ermöglichen: eine geschlossene Blende und/oder eine kurze Belichtungszeit
Veränderst du eines der drei Elemente, gleichst du das durch Veränderungen der beiden anderen Elemente aus.
Sind dir die Begriffe „offene Blende“, „lange Belichtungszeit“ und „hohe Lichtempfindlichkeit“ geläufig? Nein? Dann findest du hier Artikel mit Erklärungen:
Die Blende – der Zaubertrank für deine Fotos
Verstehe die Belichtungszeit – und fotografiere noch heute wie ein Profi
Die Lichtempfindlichkeit (ISO) des Sensors
Vergleiche einmal das Dreieck genau mit der Liste oben. Fällt dir etwas auf?
Wir stoßen auf eine der Schwächen des Dreiecks.
Denn hohe Lichtempfindlichkeit ermöglicht auch offene Blende, genauso wie niedrige Lichtempfindlichkeit lange Belichtungszeit und kurze Belichtungszeiten eine offene Blende erfordert. Das lässt sich mit dem Dreieck allerdings nicht so gut darstellen. Und sorgt immer wieder für Verwirrung.
Das soll zur Theorie reichen.
Viel spannender ist doch aber folgende Frage:
Woher weiß ich denn nun, welches der drei Elemente des Belichtungsdreiecks ich für die Belichtung verändere?
Wovon es abhängt, womit du die Belichtung veränderst
Die zwei einfachen Antwort werden dich überraschen:
- Es hängt von deinem Motiv ab.
- Es hängt davon ab, was du im Foto festhalten willst.
Was dir dein Motiv über die Belichtung sagt und was das mit dem Belichtungsdreieck zu tun hat
Lass uns zwei grundlegende Eigenschaften eines Motivs annehmen: Dynamik und räumliche Tiefe.
Für beide Eigenschaften gibt es zwei mögliche Werte:
- Dynamik: dynamisch oder statisch
- räumliche Tiefe: flach oder tief
Beide Eigenschaften treten in unterschiedlichen Kombinationen auf:
dynamisch und flach (ein fallender Wassertropfen), dynamisch und tief (ein rennender Hund), statisch und flach (eine Münze), statisch und tief (ein Sonnenuntergang am Meer).
Daraus leiten wir uns die Anforderungen an die Aufnahme ab:
- dynamisch und flach: kurze Belichtungszeit, offene Blende
- dynamisch und tief: kurze Belichtungszeit, geschlossene Blende
- statisch und flach: lange Belichtungszeit, offene Blende
- statisch und tief: lange Belichtungszeit, geschlossene Blende.
Zur Erinnerung:
- offene Blende: sehr geringe Schärfe in der Tiefe
- geschlossene Blende: viel Schärfe in der Tiefe
- kurze Belichtungszeit: Bewegung friert ein
- lange Belichtungszeit: Bewegung verschwimmt
Anders gefragt:
- Brauchst du für dein Motiv viel Schärfentiefe? –> du brauchst eine geschlossene Blende
- Bewegt sich dein Motiv sehr schnell? –> du brauchst eine kurze Belichtungszeit
- Brauchst du für dein Motiv viel Schärfentiefe und es bewegt sich auch noch schnell? Das sind die fiesesten und schwierigsten Motive überhaupt.
Doch auch dafür gibt es eine Lösung:
Die variable Lichtempfindlichkeit ist der Joker!
Blende und Belichtungszeit erfüllen neben der Belichtung noch weitere kreative Funktionen in der Fotografie. Die Lichtempfindlichkeit nicht.
Die Lichtempfindlichkeit ist unser Joker in der Fotografie. Wenn Blende und Belichtungszeit nicht mehr verändert werden können, beeinflussen wir mit der Lichtempfindlichkeit die Belichtung.
Du kannst die Blende aus zwei Gründen nicht weiter öffnen:
- Du bist schon bei der größtmöglichen Blendenöffnung.
- Wenn du die Blende weiter öffnest, reicht die Schärfentiefe für dein Motiv nicht mehr aus.
Bei der Belichtungszeit kann es ebenfalls zwei Gründe haben, weshalb du sie nicht mehr verändern kannst:
- Dein Motiv würde aufgrund der Eigenbewegung verschwimmen.
- Du drohst das Bild zu verwackeln.
Typisches Beispiel für die Veränderung der Lichtempfindlichkeit ist die Fotografie der Milchstraße. Die Blende ist komplett offen, die Belichtungszeit konnte ich nicht länger wählen, ohne dass die Sterne von Punkten zu Strichen werden.
Also erhöhe ich die Lichtempfindlichkeit, den ISO-Wert.
Im Artikel „Die „richtige“ Belichtung – das Histogramm als Hilfsmittel“ erkläre ich dir übrigens, woran du zu dunkel belichtete Bilder erkennst und wie du die Belichtung als gestalterisches Mittel einsetzen kannst.
Was du in deinem Foto festhalten willst
Der zweite wichtige Teilaspekt bei den Überlegungen zum Motiv: Was willst du im Foto darstellen?
Willst du das dynamische Motiv in der Bewegung einfrieren? Oder willst du die Bewegung verschwimmen lassen, um so den Eindruck von Geschwindigkeit zu erwecken?
Möchtest du dein Motiv in seiner räumlichen Ausdehnung komplett scharf haben? Oder möchtest du nur selektiv einen Teil des Motivs durch die Schärfe in die Aufmerksamkeit rücken?
Diese vier Fragen entscheiden, welche Werte du für die Belichtung nicht unterschreiten darfst.
Im Falle der Dynamik: Zum Verwischen der Bewegung kannst du längere Belichtungszeiten wählen.
Im Falle der räumlichen Ausdehnung: Für selektive Schärfe brauchst du weniger Schärfentiefe. Du kannst die Blende also weiter offen lassen.
Und wenn deine Bilder dann immer noch zu dunkel sind, gleichst du das fehlende Licht durch die Erhöhung der Lichtempfindlichkeit aus.
Genug der Theorie. Fotografie beruht zu 80 % auf Erfahrung. Zeit, welche zu sammeln.
Wie du mit dem Belichtungsdreieck die Belichtung steuerst
Springen wir in die Praxis mit vier Fallbeispielen.
Vorab will ich kurz erwähnen: DIe Beispiele kannst (und sollst 😉 ) du so oder in so ähnlicher Form nachstellen. Und wenn du das tust, nutze unbedingt ein Stativ. Näheres zum selbigen findest du im Artikel: Das Stativ – ein verkanntes Hilfsmittel.
Fallbeispiel 1: Ein fallender Wassertropfen
Unser Motiv ist dynamisch und flach.
Will nach dem Belichtungsdreieck heißen: Für die Dynamik brauchen wir eine kurze Belichtungszeit. Da sich der Wassertropfen nicht sehr tief ausdehnt, brauchen wir keine große Schärfentiefe. Also kann die Blende weit offen bleiben.
Wir nehmen ein erstes Testfoto auf.
Wie wir sehen, ist das Wasser verschwommen. Die Belichtungszeit war zu lang.
Wir verändern die Einstellungen wie folgt: Die Blende öffnen wir komplett bis an den Anschlag und verkürzen die Belichtungszeit, bis die Nadel des Belichtungsmessers wieder auf der „0“ steht.
Nächstes Foto.
Das Wasser ist immernoch verschwommen.
Wir müssen die Belichtungszeit weiter verkürzen. Dadurch gelangt weniger Licht in die Kamera. Unser Foto wird zu dunkel. DIe Blende können wir aber nicht mehr weiter öffnen.
Und hier kommt jetzt unser Joker ins Spiel: Die variable Lichtempfindlichkeit.
Wir verkürzen die Belichtungszeit also noch weiter und erhöhen im Gegenzug die Lichtempfindlichkeit. Bis auch nun wieder die Nadel der Belichtungsmessung bei der „0“ steht.
Nächstes Foto.
Tada!
Das Wasser ist eingefroren!
Fallbeispiel 2: Ein rennender Hund
Unser Motiv ist dynamisch und hat eine räumliche Ausdehnung.
Will nach dem Belichtungsdreieck heißen: Für die Dynamik brauchen wir eine kurze Belichtungszeit. Und da der Hund eine räumliche Ausdehnung aufweist, brauchen wir auch ein Mindestmaß an Schärfentiefe. Zumindest, wenn mehr als nur die Augen scharf sein sollen.
Wir nehmen ein erstes Testfoto auf.
Das Bild ist viel zu dunkel.
Es muss also mehr Licht an den Sensor gelangen.
Die Belichtungszeit können wir nicht weiter reduzieren. Dann liefen wir Gefahr, dass der Hund im Bild verschwimmt.
Wir gleichen das fehlende Licht mit dem Öffnen der Blende aus.
Nächster Versuch.
Siehe da. Der Hund ist scharf. Allerdings nur die Augen. Die Schnauzenspitze ist noch leidlich scharf, die Ohren aber verschwimmen.
Das sieht nicht sonderlich gelungen aus.
Um mehr vom Hundegesicht scharf zu bekommen, müssen wir die Blende wieder schließen. Die Belichtungszeit fällt zum Ausgleich des Lichtverlusts aber weg. Denn länger können wir nicht belichten, ohne dass es zu Bewegungsunschärfe im Bild kommt.
Klarer Fall für unseren Joker: Die variable Lichtempfindlichkeit.
Wir schließen die Blende und gleichen den Lichtverlust mit einer höheren Empfindlichkeit des Sensors aus.
Und tada!
Bildgestalterisch sicher kein Meisterwerk. Aber die Belichtung passt. Zumindest ist in Ronjas schwarzem Gesicht noch Zeichnung. Die Bewegung ist nicht verschwommen und die Lichter sind auch nicht ausgebrannt.
Fallbeispiel 3: Die Prägung einer Münze
Die Münze ist statisch und flach.
Will nach dem Belichtungsdreieck heißen: Wir können die Belichtungszeit frei wählen. Und da die Prägung der Münze keine große räumliche Tiefe aufweist, können wir die Blende sehr weit offen lassen.
Wie du siehst, habe ich die Kamera nicht gänzlich gerade gehalten. So verschwimmen aufgrund der sehr geringen Schärfentiefe die untere Sterne. 90 Millimeter Brennweite, Blende f2.5 und ein Abstand von etwa 25 Zentimetern sorgt für eine Schärfentiefe von 0,5 Millimetern.
Um die komplette Prägung scharf zu bekommen, schließen wir die Blende auf f5.6. So erhöht sich die Schärfentiefe auf einen ganzen Millimeter. Da wir ein Stativ benutzen, können wir den Helligkeitsverlust sehr einfach über die Belichtungszeit ausgleichen.
Fallbeispiel 4: Ein Sonnenuntergang am Meer
Die Szenerie ist statisch und tief.
Will nach dem Belichtungsdreieck heißen: Wir können die Belichtungszeit frei wählen. Da so ein Sonnenuntergang am Meer über viel Tiefe verfügt, benötigen wir eine geschlossene Blende.
Auch hier empfehle ich dir, ein Stativ zu nutzen. So können wir die Blende auf f8 stellen und steuern die Belichtung allein über die Belichtungszeit.
Warum f8?
Nahezu alle Objektive bilden bei dieser Blende am besten ab. Der beste Kompromiss zwischen Bildschärfe und Lichtmenge.
Bei der ersten Aufnahme ist die Belichtungszeit noch zu kurz. Das Bild ist viel zu dunkel.
Wir verlängern die Belichtungszeit.
Der zweite Versuch geht nun schon sehr stark in die richtige Richtung.
Dank der geschlossenen Blende ist die gesamte Szenerie scharf. Die dafür notwendige Lichtmenge sammeln wir einfach über das Verlängern der Belichtungszeit.
Da wir ein Stativ verwenden, brauchen wir unseren Joker in diesem Falle nicht zu ziehen.
Die Lage ändert sich, wenn wir nach Sonnenuntergang noch Bilder mit verschwommenen, aber erkennbaren, Wellen aufnehmen wollen.
Dann darf in diesem Falle die Belichtungszeit nicht länger als eine Fünftel oder Zehntel Sekunde dauern. Andernfalls verschwinden die Konturen der Welle und der Eindruck der Dynamik ist dahin.
Verfügen wir über zu wenig Licht um bei Blende f8 und 1/5 Sekunde ein ausreichend belichtetes Foto zu erstellen, erhöhen wir unseren Joker, die Lichtempfindlichkeit.
Zum Abschluss
Wohlan, du kennst nun die Zusammenhänge des Belichtungsdreieck.
Es liegt jetzt an dir, dieses Wissen in die Praxis zu bringen.
Bis dir die Zusammenhänge in Fleisch und Blut übergehen, beantworte dir immer wieder die beiden zentralen Fragen:
Fotografiere ich ein dynamisches Motiv?
Antwort Ja: Ich brauche eine Mindestbelichtungszeit.
Antwort Nein: Ich kann die Belichtungszeit frei variieren und zum Ausgleich der Belichtung nutzen.
Dehnt sich mein Motiv stark räumlich aus?
Antwort Ja: Ich brauche ein Mindestmaß an Schärfentiefe, also eine Mindestblende.
Antwort Nein: Ich kann die Blende frei variieren und zum Ausgleich der Belichtung nutzen.
In Fällen, wo du Belichtungszeit und Blende nicht mehr verändern kannst und deine Bilder noch zu dunkel sind: Erhöhe die Lichtempfindlichkeit deines Sensors.
Den ISO-Wert zu erhöhen, sollte aufgrund der Nachteile das letzte Mittel der Wahl sein. Aber lieber ein verrauschtes Bild, als gar keins.
Wenn du neben der Technik wissen willst, wie du noch ab heute sichtbar bessere Bilder machst, sichere dir kostenloses Ebook: 6 einfache Rezepte für herausragende Fotos.
Super gemachter Blog.
Macht Spass zu stöbern
Moin Ralf,
freut mich, dass dir meine Seite gefällt. 🙂 Den Spaß beim Stöbern finde ich auf deiner Website übrigens auch. Deine Tierbilder sind echt der Hammer!
Grüße aus Kiel
Konrad