Das Stativ – ein verkanntes Hilfsmittel

Das Stativ – ein unterschätztes und stark verkanntes Hilfsmittel in der Fotografie. Lass mich dir kurz erklären, warum ich ein Stativ fürs Fotografieren aber als absolut sinnvoll erachte. Denn es vereint eine ganze Reihe von Vorteilen:

  • du hast alle Zeit der Welt den Bildausschnitt festzulegen
  • du kannst am immer gleichen Bildausschnitt die Veränderungen der technischen Einstellungen nachvollziehen
  • Langzeitbelichtungen sind ohne Stativ (fast) unmöglich
  • mit einem Stativ kannst du hohe ISO-Zahlen vermeiden und begrenzt so nicht den Dynamikumfang deines Sensors
  • durch das Stativ kannst du passgenau Bilder mit unterschiedlichen Belichtungen (Belichtungsreihen) erstellen und diese übereinander legen (HDR genannt)
  • Filtereinsatz sehr viel besser möglich

Bei so viel Licht gibt es aber auch Schatten. Nachteile eines Stativs:

  • oftmals unhandlich
  • Nutzung gelegentlich unpraktisch
  • du kannst dich nicht mehr so frei bewegen
  • dynamische Motive lassen sich schlechter einfangen
  • zusätzliches Gewicht an der Fototasche
  • gute Stative kosten viel Geld
konrad in einer wiese am baum liegend hinter seinem stativ
Bisschen Stativ-Yoga am Abend. 🙂 (Foto aufgenommen von KaiKoPhoto)

Die Nachteile lassen sich nicht weg diskutieren.

Trotzdem halte ich ein Stativ in den meisten Bereichen der Fotografie für absolut sinnvoll. Gerade wenn du am Anfang deiner Fotolaufbahn stehst.

Durch die feste Unterlage schließt du das Verwackeln deiner Bilder als Fehlerquelle aus. Es sei denn du bist im Orkan unterwegs.

Lass uns die genannten Vorteile im Einzelnen durchgehen.

Ein Stativ verschafft dir Zeit, um den Bildausschnitt festzulegen

Probiere es einfach mal aus.

Schnall‘ deine Kamera auf ein Stativ und such‘ dir ein Motiv, dass du aufnehmen willst.

Du wirst merken, dass du viel sorgfältiger auf den Bildausschnitt achtest.

Weil die Kamera festgeschraubt ist, nimmst du dir mehr Zeit auf Details im Bild zu achten. Seit ich 2011 mein erstes Dreibein erwarb, sind meine Bilder definitiv ansprechender geworden. Ohne neue Kamera, ohne neues Objektiv.

Manchmal können Fortschritte in der Fotografie so einfach sein.

Auf meinen Rucksackreisen spare ich mir jedoch das Zusatzgewicht. Bei der Sichtung meiner Bilder nach diesen Touren stelle ich immer wieder fest, dass mir manch Ausschnitt einfach nicht gefällt. Ich bin mir ziemlich sicher, mit einem Stativ wäre ich sorgfältiger gewesen. Aber ein Kilogramm mehr Gewicht zwei Wochen auf dem Rücken durch die Wildnis zu tragen… na ja, da nehme ich die Einbußen dann doch wissentlich in Kauf.

An einem Abend in Norwegen habe ich einen festen Stand für meine Kamera aber sehr schmerzlich vermisst:

sonnenuntergang in den bergen mit bergsee ohne stativ aufgenommen
Die Aufnahme gefällt mir, aber mit Stativ wäre der Ausschuss wesentlich geringer gewesen.

Veränderungen durch Einstellungen am immer gleichen Bildausschnitt leichter erkennbar

Besonders wenn du gerade damit beginnst, dich mit den technischen Elementen der Fotografie auseinanderzusetzen, ist ein Stativ Gold wert.

Wir nehmen folgendes an: Du befasst dich gerade mit der Fotoübung zur Blende. Dafür nimmst du das gleiche Motiv mit unterschiedlichen Blendenzahlen auf. Im Anschluss kannst du genau sehen, was sich im Bild verändert (nämlich der Schärfebereich). Beim gleich bleibendem Bildausschnitt siehst du die Veränderungen wesentlich einfacher.

Genauso ist es bei der Belichtungszeit. Besonders deutlich wird der Unterschied am Meer.

Und noch ein weiterer Vorteil bei gleichbleibendem Bildausschnitt: Bei sehr großen Helligkeitsunterschieden kannst du so recht einfach ein Bild aus mehreren Belichtungen erstellen. Das Zusammenfügen der Bilder wird auch HDR genannt. Hier mal ein Beispiel:

sonne und deren spiegelung leuchten sternförmig durch den wald an der ostsee
Ohne Stativ keine Belichtungsreihe aus der sich ein HDR zaubern lässt.

Beim obigen Bild entstand durch helle Sonne und dunklen Wald eine extrem schwierige Lichtsituation. Der Helligkeitsbereich ist für jeden Kamerasensor zu viel. Selbst das menschliche Auge bekommt das nicht mehr ausgeglichen.

Das Zauberwort heißt Belichtungsreihe. Das kannst du insbesondere nutzen, wenn du einen Sonnenuntergang fotografieren willst.

Um so ein Bild zu erstellen, nahm ich drei Bilder auf. Eins so belichtet, dass die Schatten im reinen Schwarz versinken. Eins bei dem in den Lichtern noch Strukturen zu erkennen, dafür die Schatten nur noch schwarz sind („Die richtige Belichtung“ verstehen ist der Zauberbegriff). Und im dritten Bild sind die Schattenbereiche noch mit Strukturen versehen, dafür die Lichter sehr breit verteilt und rein Weiß.

Ohne Stativ bist du in solchen Situationen aufgeschmissen.

Langzeitbelichtungen sind ohne Stativ (fast) unmöglich

„Langzeit“ sagt es ja schon: Wenn du ein Bild sehr lange belichten willst, kommst du um ein Stativ nicht mehr herum.

Ob du nun ein Gewässer glatt bügeln willst oder die Milchstraße aufnehmen möchtest.

Klar, du kannst dir auch eine andere stabile Unterlage suchen. Allerdings bekommst du dann in den meisten Fällen Probleme mit der exakten Ausrichtung der Kamera.

Falls dir an diesem Punkt nicht ganz klar sein sollte, weshalb Langzeitbelichtungen aus der Hand nicht funktionieren, zwei Anmerkungen.

1. Lies‘ dir meinen Artikel „Verstehe die Belichtungszeit – und fotografiere noch heute wie ein Profi“ durch.

2. Falls du gerade keine Zeit für den Beitrag hast: Bei langen Belichtungszeiten verwackelst du das Bild. Denn niemand steht zwei Sekunden lang wie in Stein gemeißelt.

sonnenuntergang ostsee mit stativ lange leichtet so dass wasser ein spiegel wird
Für dieses Bild belichtete ich 25 Sekunden. Ohne Stativ unmöglich.

Einsatz eines Stativs kann hohe Lichtempfindlichkeit(ISO) verhindern

Dem Belichtungsdreieck folgend, kannst du lange Belichtungszeit vermeiden, wenn du die Blende öffnest oder die Lichtempfindlichkeit des Sensors erhöhst.

Eine weit geöffnete Blende sorgt für einen sehr schmalen Bereich der Tiefenschärfe. Eine sehr hohe Lichtempfindlichkeit für einen starken Abfall des Dynamikumfang des Sensors. Beides Sachen, die in der Fotografie gern vermieden werden.

Und ja, das Bildrauschen nimmt ebenfalls zu. Das halte ich aber für zu vernachlässigen.

Näheres zu diesem Thema findest du in meinem Beitrag „Die Lichtempfindlichkeit„.

Filtereinsatz ist mit Stativ sehr bequem

Lange habe ich mich bei meinen Landschaftsaufnahmen gegen Filter gewehrt. Rückblickend ziemlich dumm. Denn mit Filtern kann ich das vorhandene Licht so steuern, wie ich es gern will.

Und wenn du ebenfalls gern draußen am Strand unterwegs bist, wirst du verstehen, was ich meine.

Besonders Wasser kann bei längeren Belichtungen sehr effektvoll wirken. Und damit sind wir dann auch wieder beim Thema:

Längere Belichtungen führen fast schon zwangsläufig zum Stativ. Aber gerade beim Einsatz von Graufiltern (also sehr dunkles Glas) und Verlaufsfiltern (Glas, das von hell zu dunkel verläuft) wirkt ein Stativ Wunder. Denn so gewinnst du jede Menge Zeit, den richtigen Filter auszuwählen. Du kannst in Ruhe die Belichtungszeit berechnen et cetera.

Besonders bei Verlaufsfiltern ist der ruhige Stand der Kamera entscheidend. Denn du wirst dir ja etwas dabei denken, wenn du den Verlauf so ausrichtest, wie du es haben willst. Da führt schon die kleinste Bewegung zu Ungenauigkeiten.

rot leuchtender abendhimmel über einem see mit zwei inseln
Heller Himmel dunkler Vordergrund, klassischer Fall für einen Verlaufsfilter. Ohne Stativ ein anstrengendes Unterfangen.

Die Nachteile eines Stativs

Wo so viel Licht ist, gibt es natürlich auch Schatten.

Ein Stativ ist nicht sehr handlich. Und in der Regel auch nicht sonderlich leicht.

Die Handhabung braucht einiges an Gewöhnung und du bist nicht mehr sonderlich flexibel.

Gerade bei dynamischen Motiven, wie etwa rennende Hunde oder Sport bringen Stative mehr Nachteile als Vorteile. Es gibt zwar auch Einbeinstative, die dienen wohl aber in erster Linie dazu, die richtig großen Objektive auf Dauer halten zu können.

Ebenfalls spielt der Kostenfaktor eine Rolle. Denn gute Stative kosten einfach Geld.

Da das Hobby Fotografie nun auch generell nicht gerade günstig ist, kann das schon ein Problem sein. Klar, es gibt auch eine Reihe günstiger Stative, beispielsweise aus dem Baumarkt.

Allerdings solltest du bei solchen Dreibeinen vorsichtig sein. Immerhin steht deine teure Kamera darauf. Und wenn das Stativ unter dem Gewicht nachgibt oder der Wind deine Ausrüstung umpustet, tut das mit Sicherheit sehr weh.

Fazit

Ja, es gibt Bereiche, in denen ein Stativ eher hindert als nutzt. Dennoch empfehle ich allen, die mit dem Fotografieren ernsthaft beginnen wollen, sich ein ordentliches zuzulegen. Du nimmst dir mit einem Stativ automatisch viel mehr Zeit beim Fotografieren. Einfach weil du nicht so schnell und flexibel bist. 🙂

Bei einem meiner Workshops nötigte ich einer Teilnehmerin eins auf. Anfangs tat sie sich noch schwer. Am Ende des Workshops wollte sie tags darauf losziehen und sich eins besorgen.

Okay, habe ich dich überzeugt? Dann willst du jetzt wahrscheinlich wissen, welches du kaufen solltest. Da dieser Beitrag schon viel länger ist, als ich anfangs dachte, muss ich dich vertrösten. Du hast nun zwei Möglichkeiten:
1. Du schaust bei Mathias Haltenhof in die Stativkaufberatung. Sehr ausführlich und eine der besten Beschreibungen worauf es beim Stativkauf ankommt.
2. Du trägst dich in meinen Newsletter ein. Dann erfährst du direkt, wenn ich etwas Neues (möglicherweise eine Stativkaufberatung…) hier veröffentliche. 🙂

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