Der Weißabgleich – Farbe und Stimmung in deinen Bildern

Mit dem (manuellen) Weißabgleich lernst du in diesem Text, wie du Farbe und Stimmung in deine Bilder zaubern kannst.

Dabei streifen wir kurz (wirklich kurz, versprochen) die Physik.

Und im Anschluss erfährst du, wie du dir diese Physik mit dem Weißabgleich zu Nutze machen kannst.

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Also los, lass uns direkt in die Natur der Dinge einsteigen.

Das Licht und das Weiß – kurzer Exkurs in die Physik

farbskala des lichts von warm zu kalt
Grafik erstellt von Bhutajata, CC BY-SA 4.0

Licht kommt bekanntlich in unterschiedlichen Farben vor.

Wir vereinfachen an dieser Stelle die Physik mal: In der Digitaltechnik werden Farben oft als Addition von Farbanteilen in Rot, Grün und Blau (kurz = „RGB“) gespeichert beziehungsweise erzeugt.

So auch in der digitalen Fotografie.

In der Fotografie sammeln wir ja genau dieses Licht in unserem Kasten (Kamera) ein.

Lichtquellen senden unterschiedliche Farben aus, hervorgerufen durch die unterschiedlich stark gewichteten Rot-, Grün- und Blauanteile.

Zur Definition der Lichtfarbe nutzt die Physik einen temperaturabhängigen Effekt: Ein heißer Körper strahlt abhängig von der Temperatur unterschiedliche Farben ab. Deshalb kann einer Temperatur eine bestimmte Farbe zugeordnet werden. So kommt die Bezeichnung „Farbtemperatur“ zustande, die in Kelvin (also einer Temperatur-Einheit) gemessen wird.

Wie du in der Grafik oben siehst:

  • Hoher Rotanteil im Licht –> kleiner Kelvin-Wert
  • Hohe Blauanteil im Licht –> hoher Kelvin-Wert

Abends zum Sonnenuntergang überwiegen beispielsweise die Rotanteile im Licht.

Bei bewölktem Himmel und im Schatten überwiegt Blau.

Atmosphäre und Einfallswinkel spielen hierbei eine wichtige Rolle.

Und spannend wird es wenn ein (nicht von sich aus leuchtender) Gegenstand das auf ihn treffende Licht reflektiert.

Wenn die Lichtquelle die Farbe ändert, ändert sich zwangsläufig auch die Farbe des reflektierten Lichts.

Wenn wir aber einen konkreten Gegenstand kennen (uns daran erinnern), dann blenden wir die unterschiedlichen Farben aus und nehmen den erinnerten Farbton wahr.

Das funktioniert aber bei Fotos von Gegenständen nicht. Natürlich erst recht nicht, wenn wir den konkreten Gegenstand überhaupt nicht kennen.

Der Weißabgleich schafft Abhilfe

Die Sonne versinkt wunderschön in einer Farbexplosion hinter dem Horizont.

Dieses Schauspiel willst du in einem Foto festhalten.

Also: Kamera auf’s Stativ, Belichtung nach dem Belichtungsdreieck mit Blende und Belichtungszeit eingestellt und ausgelöst.

Auf dem Kameramonitor siehst du aber schon, das Bild hat einen merkwürdigen Farbstich. Die warmen Farben des Sonnenuntergangs wirken eher kühl. Dein Bild hat vielleicht sogar einen Blaustich.

Sonnenuntergang an der ostsee mit sehr kühlem weißabgleich
Je nach Kamera kann es dir passieren, dass die Automatik versucht gegen das rötliche Licht am Abend den Blau- und Grünkanal zu verstärken. So sieht es dann aus, wenn die Kamera dabei über das Ziel hinaus schießt.
Sonnenuntergang an der ostsee mit sehr kühlem weißabgleich
Und hier das andere Extrem. So ein Bild kann entstehen, wenn die Kamera nicht merkt, dass das Licht sehr rötlich strahlt.

Mit dem Weißabgleich kannst du gegensteuern.

Bei den meisten Kameras findest du eine Taste mit dem Kürzel „WB“ („WB“ steht für „White Balance“).

Hier findest du neben einer Automatik häufig auch einige vorgegebene Einstellungen: Sonnenlicht, Wolken, Kunstlicht, Neonlicht und noch einige andere mehr.

Neben diesen Voreinstellungen kannst du aber auch einen manuellen Weißabgleich wählen. Hier gibst du der Kamera direkt eine Farbtemperatur vor.

Obacht beim manuellen Vorgeben der Farbtemperatur

ACHTUNG, wenn du der Kamera eine Farbtemperatur vorgibst: Die Kelvinzahl in der Kamera verläuft entgegengesetzt zur Skala mit der Farbtemperatur zum Eingang des Textes.

Soll heißen: Um den Blaustich des ersten Bildes ins Bild zu zaubern, stellte ich den Weißabgleich auf eine Farbtemperatur von 3500K. Beim zweiten Bild stellte ich die Farbtemperatur auf 12000K.

Die Kamera versucht in diesem Falle die jeweils entgegengesetzten Farbkanäle zu verstärken.

Im Falle des blauen Bildes sagte ich der Kamera: „Das Licht ist sehr warm, 3500K. Verstärke die Blautöne, so dass das sehr rötliche Licht ausgeglichen wird.“

Das hat die Kamera dann auch gemacht.

Und zwar sehr heftig.

Im Falle des zweiten Bildes teilte ich der Kamera folgendes mit: „Das Licht ist sehr kühl, 12.000K. Verstärke die Rottöne, so dass das bläuliche Licht ausgegelichen wird.“

Und auch das macht die Kamera, ebenfalls sehr heftig.

Aber das soll in diesem Falle ja so sein, damit du deutlich sehen kannst was ich meine.

Genau genommen sagst du der Kamera beim manuellen Weißabgleich, ob die Kamera die Farben um den angegebenen Kelvinwert erwärmen oder abkühlen soll.

Sonnenuntergang an der ostsee mit ausgewogenem weißabgleich
Bei den meisten Kameras ist die Automatik inzwischen sehr ausgefeilt. Dieses Bild ist mit der Weißabgleichsautomatik entstanden. Und trifft meinen Seheindruck schon ziemlich genau. 🙂

Manuellen Weißabgleich vornehmen – aber wie?

Nun willst du vermutlich wissen, wie du den Weißabgleich einstellen kannst, damit die Farben deines Bildes denen entsprechen, die du in der Szenerie erlebt hast.

Dafür hast du zwei Möglichkeiten:

  1. einfach gehalten mit einem weißen Blatt Papier
  2. mit einer neutralen Graukarte

1. Mit weißem Papier

Spielen wir das Gedankenspiel von oben noch mal ein wenig weiter.

Du hast nun also festgestellt, dass die Farben in deinem Bild nicht stimmen. Zunächst siehst du dir das Bild genau an. Sind dir die Farben zu kühl oder zu warm? Also überwiegen Blautöne (Farben zu kühl) oder Rot- und Gelbtöne (Farben zu warm)?

Sind die Farben zu kühl musst du den Wert des Weißabgleichs erhöhen, also eine höhere Kelvinzahl verwenden.

Sind die Farben zu warm, nimmst du eine niedrigere Kelvinzahl.

Da du nicht wild rumprobieren willst, zauberst du ein weißes Blatt Papier aus deiner Fototasche.

Sportlich wie du bist, lässt du deine Kamera mit dem Selbstauslöser fotografieren. So hast du 10 Sekunden Zeit, das Blatt Papier vor der Kamera zu drapieren.

Ist das Bild gemacht, begutachtest du das Ergebnis. Kommt dir das Weiß jetzt wirklich weiß vor?

Falls ja, Gratuliere! Du hast deinen ersten manuellen Weißabgleich vorgenommen.

Ist das Ergebnis noch nicht so, wie du es haben willst, wiederhole die Fotos mit dem Blatt Papier, bis es passt.

Wichtig dabei ist, dass du diese Art der Bestimmung in dem Umgebungslicht vornimmst, in dem du auch fotografierst.

Das kann bei Sonnenuntergängen mit dem sich rasch verändernden Licht allerdings auch eine ziemliche Herausforderung werden.

Gänzlich zuverlässig ist diese Methode allerdings nicht.

Denn es gibt verschieden weißes Papier. So kann es bei unterschiedlichen Papiersorten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.

Aber als grobe Richtschnur und praktikable Lösung ganz sinnvoll.

2. Mit Graukarte

Wesentlich genauer ist die Graukarte.

Dabei gehst du genauso vor, wie beim Blatt Papier.

Du hältst die Graukarte in der Umgebung vor die Kamera, in der du Fotografieren willst. Ist das Bild am Ende ausschließlich Grau, hast du dein Ziel erreicht.

Andernfalls musst du, je nach Farbstich, weiterhin die Kelvinzahl erhöhen oder verringern.

Wie beim Blatt Papier solltest du auch hier beachten: Verändert sich das Licht, verändern sich auch die Werte für den Weißabgleich.

Entsprechend kann es sein, dass du dieses Prozedere häufiger durchlaufen musst.

Grenzen

schneebedeckte berggipfel zum sonnenuntergang und darunter liegenden wolkenschichten
Hier wird es schwierig einen manuellen Weißabgleich vorzunehmen. Die schneebedeckten Gipfel sind einfach viel zu weit weg.

Wie schon geschrieben, stößt diese Art des Weißabgleichs recht schnell an Grenzen.

Insbesondere, wenn sich das Licht schnell verändert.

Oder aber, das von dir gewünschte Motiv ist sehr weit entfernt.

Hier gehen dir schlicht die Möglichkeiten aus.

Praktikabel sind Graukarte und Papier daher eher in einer konstanten Umgebung, beispielsweise einem Fotostudio oder einer Räumlichkeit mit fester Beleuchtung.

Richtig unangenehm wird es beispielsweise bei Konzerten mit farbigen Lichtern.

Was nun?

Abhilfe kann dir die Nachbearbeitung bringen.

Weißabgleich in der Nachbearbeitung verändern

Wenn du an die Grenzen des manuellen Weißabgleiches stößt, musst du deswegen nicht die Flinte (oder besser „Kamera“) ins Korn werfen.

Denn auch in der Nachbearbeitung kannst du noch Einfluss nehmen.

Ohne jetzt zu tief in die Materie einsteigen zu wollen: gute Digitalkameras verfügen über zwei mögliche Dateiformate, in denen sie Bilder abspeichern können: RAW und JPEG.

Letzteres kennst du vermutlich als Standard-Format für Bilddateien. Das erstere bezeichnet Rohdateien.

Diese benennt jeder (Kamera-)Hersteller in Eigenregie. Bei Nikon enden diese Dateien auf das Kürzel „NEF“, bei Fuji „RAF“ und bei Canon „CR2“.

Auf die Unterschiede und Vor- und Nachteile der beiden Dateisysteme gehe ich im Artikel „RAW oder JPEG? – Glaubensfrage in der Fotografie“ genauer ein.

Hier nur der Hinweis: RAW-Dateien machen es sehr einfach, den Weißabgleich auch im Nachhinein noch zu verändern.

bild im raw-bearbeitungsprogramm raw-therapee
Hast du deine Bilder im RAW-Format aufgenommen, kannst du den Weißabgleich ganz einfach auch nachträglich noch anpassen. So wie hier mit dem kostenlosen Programm RAW-Therapee.

Wie an der Kamera kannst du bei den meisten RAW-Konvertern (Zusatzprogramme um die RAW-Dateien öffnen zu können) eine Farbtemperatur per Schieberegler festlegen.

So lassen sich Farbstiche ziemlich einfach beheben.

RAW-Konverter sind mächtige Tools in der Nachbearbeitung. Programme gibt es in kostenlosen Varianten, wie etwa RAW-Therapee oder Darktable. Oder auch in Kauf- und Abovarianten, wie Adobes Lightroom.

Weißabgleich eines bildes im bearbeitungsprogramm gimp
Mit dem kostenlosen Programm Gimp kannst du mittlerweile auch im JPEG-Format den Weißabgleich nachträglich verändern.

Mittlerweile kannst du den Weißabgleich bei JPEGs mit dem kostenlosen Programm Gimp aber ebenfalls nachträglich verändern.

Es ist also nicht zwingend das RAW-Format notwendig. Jedenfalls nicht im Hinblick auf den Weißabgleich.

Weißabgleich – verstanden. Und nun?

Das Prinzip Weißabgleich ist dir nun klar.

Und du weißt auch, wie dieser sich auf Bilder auswirkt.

Auch kannst du jetzt eingreifen, wenn die Automatik mal daneben liegen sollte und Bilder mit Farbstichen erzeugt.

Nun will ich dir aber auch noch kurz zeigen, wie du den Weißabgleich bewusst für deine Bilder einsetzen kannst.

Bilder können mit Farben Stimmungen erzeugen.

Farbpsychologie ist das Stichwort.

Warme Farben wie Gelb und helle Brauntöne wirken freundlich bisweilen sogar auch gemütlich.

Dem stehen sehr kühle Farben gegenüber, wie etwa Blau und Türkis.

Sowas nutze ich gern im Winter. Denn auf Bildern wie dem unteren, verstärke ich mit einem sehr kühlen Weißabgleich und den daraus resultierenden kalten Farben den Eindruck der frostigen Luft.

Und wenn sogar die Ostsee anfängt zugefrieren, muss es ordentlich kalt gewesen sein.

Und ich meine, dass das im Bild auch so wirkt.

kühler weißabgleich verleiht bild der gefrorenen ostsee am morgen eine zusätzlich kalte stimmung
Mit dem Weißabgleich kannst du beispielsweise Stimmungen im Bild verstärken.

Umgekehrt funktioniert dies natürlich auch:

sonnenuntergang an der ostsee mit warmem weißabgleich verleiht den bild träumerische wirkung und ruhe
Um den ruhigen und warmen Eindruck zu verstärken, stellte ich den Weißabgleich sehr warm ein.

Da die Stimmung im obigen Bild sehr warm in meiner Erinnerung leuchtete, stellte ich den Weißabgleich so ein, dass die Rot- und Gelb-Töne verstärkt wiedergegeben werden.

So wirkt die Szenerie bewusst ein wenig übertrieben verträumt.

Ja, gut, du könntest einwenden: „Das wirkt schon fast kitschig!“ Aber ein bisschen Kitsch zum Sonnenuntergang am Strand finde ich nicht verwerflich.

Fazit

Der Weißabgleich ist ein sehr komplexes Thema in der Fotografie.

Du kannst diesen bei digitalen Bildern zwar auch nachträglich mittlerweile ziemlich schnell anpassen.

Aber bereits vor Ort damit zu experimentieren, kann schon sehr viel Spaß machen.

Insbesondere, wenn du dir die Wirkung des Lichts bewusst machst und sie in die Aussage deines Bildes mit einbeziehst. Wie in den letzten beiden Bildbeispielen.

Im Beitrag „Malen mit Licht“ zeige ich dir übrigens, zu welchen Uhrzeiten es sich als Landschaftsfotograf*in besonders lohnt, Bilder zu machen. Und das hängt stark mit der Wirkung des Lichts zusammen.

Und nun liegt es an dir, mit dem Weißabgleich herumzuspielen.

Probiere ruhig auch ein paar der voreingestellten Modi aus, wie etwa „Kunstlicht“, „Bewölkt“ und ähnliches.

So entwickelst du ein Gefühl und kannst dies später unter anderem auch in der Nachbearbeitung nutzen.

Denn in richtig guten Bildern wirken alle Elemente unterstützend für die Aussage des Bildes.

Auch die Farben und damit der Weißabgleich. 🙂

Viel Spaß und Gut Licht.

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