Fotograf*innen sind bisweilen schon ein recht eigenes Völkchen. Und wie in jedem anderen Hobby auch, gibt es den ein oder anderen Fotospruch, der sich als Mythos und Legende fest in den Köpfen verankert. Beispiele gefällig?: „Landschaften kannst du nur mit Weitwinkel fotografieren!“, „Ein 70-200 gehört in jede Fototasche!“ und „Für Portaits brauchst du das Kleinbildformat (wahlweise auch gern als „Vollformat“ bezeichnet)“. Auch sehr schön sind Aussagen in Fotoforen wie: „Ich kaufe nur Original-Objektive! Dritthersteller haben viel zu viele Probleme.“
So mancher Fotospruch hat mich zu Beginn meiner Fotografie-Laufbahn extrem verunsichert. Ich hielt einen Spruch wie “ Nach dem Kauf muss ein Objektiv auf eventuelle Fehler getestet werden!“ für ein Fotodogma. So ertappte ich mich beim Fotografieren von Ziegelsteinmauern, Zollstöcken und ähnlichem Unfug. Dabei vergaß ich das Wichtigste beim Fotografieren: Das Fotografieren.
Aus dem Geschichts- oder auch Literaturunterricht weißt du ja bestimmt noch, dass Legenden oftmals ein Fünkchen Wahrheit in sich bergen. Im Laufe der Jahre und im Laufe der Wiederholungen nehmen die Ausschmückungen immer weiter zu. Bis es schließlich zu ausformulierten Dogmen kommt. So in der Art wie ich sie oben aufgeschrieben habe. Und wie dir der ein oder andere Fotospruch bestimmt auch schon begegnet ist.
Also los, zerlegen wir die Fotosprüche und machen uns auf die Suche nach den Wahrheitskörnern.
„Für Landschaften brauchst du Weitwinkel!“
Sicher kennst du einige beeindruckende Landschaftsaufnahmen, die mit extremen Weitwinkeln aufgenommen wurden. Und ja, ich fotografiere Landschaften hauptsächlich auch mit Brennweiten unter 24mm.
ABER: Für Landschaftsaufnahmen brauchst du nicht zwingend ein (Ultra-)Weitwinkelobjektiv. Denn der Umgang mit diesen Speziallinsen will gelernt sein. Ich fiel seinerzeit auf die obigen Fotospruch herein. Anstatt mich mit Bildaufbau und -gestaltung auseinanderzusetzen, kaufte ich ein Ultraweitwinkel-Objektiv. Damit würden meine Landschaftsbilder wie von Zauberhand definitiv besser. So meine Erwartung. Ergebnis: Das erste Jahr brachte mehr Frust als zeigenswerte Bilder. Der Grund: Diese extremen Brennweiten erfordern sehr viel Auseinandersetzung mit den Motiven, der gewünschten Bildaussage und dem Bildaufbau. Machst du dir vorher keine Gedanken über dein Bild, geht es dir wie mir. Die Bilder werden langweilig und eintönig. Durch den weiten Bildwinkel gerät sehr viel auf’s Bild. Finden Betrachtende hier keine sinnvolle Struktur im Bild, wird es weggeklickt.
Und eine weitere Gefahr lauert in diesem Fotospruch: Du verbaust dir kreative Bildideen. Denn Landschaften lassen sich mit allen Brennweiten fotografieren. Und mal unter uns: Bilder vom Sonnenuntergang mit rauschender Welle und Steinen im Vordergrund gibt es ja wohl nun wirklich genügend (was mich aber nicht davon abhält, immer und immer wieder genau diese Szenerie zu fotografieren. :D).
Fazit: Mit (Ultra-)Weitwinkel lassen sich beeindruckende Landschaftsaufnahmen erstellen. Soweit richtig. Aber nicht nur damit. Besonders am Anfang kann der riesige Bildwinkel sehr schnell zu langweiligen Bildern führen. Setz‘ dich zunächst lieber mit Bildaufbau und -gestaltung auseinander. Dann bleibt dir viel Frust erspart. Ich spreche da aus Erfahrung. 🙂
„Ein 70-200 Zoom gehört in jede Fototasche!“
Meine Frage auf diesen Fotospruch lautete provokant: Wozu? Welche Objektive und Brennweiten du verwendest, hängt einzig und allein von dir selbst ab. Bei mir wäre oben genanntes Objektiv nur Ballast. Gut, auf längeren Fototouren sorgt der Zusatzballast für mehr Kondition. Dafür sind mir diese Objektive dann aber einfach zu teuer. 🙂
Meine Fotografiegewohnheiten machen ein großes Telezoom, wie ein 70-200, überflüssig. Die meisten meiner Bilder entstehen bei Brennweiten zwischen 9 und 50mm. Das reicht für meine Art der Fotografie aus. Nun könnte ich mich hinstellen und behaupten: Alles über 50mm Brennweite ist sinn- und nutzlos.“ Das wäre genauso falsch. Welche Objektive in deiner Fototasche landen, hängt allein von dir ab. Schließlich entscheidest du, welche Art von Bildern du machst. Und was für dich richtig ist, muss lange nicht für andere sinnvoll sein. Dafür sind wir alle zum Glück verschieden. Wäre ja auch schlimm. Dann gäbe es nur noch Einheitsbilder. Und das kann ja nun wirklich keiner wollen.
Die Qualität der angesprochenen Objektive ist in der Regel hervorragend
Doch woher kommt die Idee, dass ein 70-200 in jede Fototasche gehört? Die Objektive dieser Brennweite sind in erster Linie teuer und wirklich riesig. Das hängt damit zusammen, dass die Hersteller sehr wenige Kompromisse dabei eingehen. Die Objektive sind auf maximale Leistung getrimmt. In den meisten Fällen verfügen die Linsen über eine Offenblende von f2.8. Die Bildqualität lässt kaum bis keine Wünsche offen. Es lässt sich also festhalten: Im Telebereich stellen die 70-200 Objektive in der Regel die Referenz dar. Daher kommt wahrscheinlich auch der Ausspruch. Nur, warum anderthalb Kilogramm Glas für rund 2.000€ mit sich herum schleppen, wenn du diesen Brennweitenbereich gar nicht nutzt?
Fazit: Lass dir von niemandem einreden, dass du bestimmte Brennweiten haben MUSST! Du allein entscheidest, was du benötigst. Und natürlich dein Motiv. Wenn du mal nicht weiter kommst, dann frage gern um Rat. Aber hüte dich vor dogmenartigen Aussagen. 🙂
„Für Portraits brauchst du eine Kamera im Kleinbildformat (oder auch „Vollformat“ genannt)!“
Und Kameras mit einem solchen Sensor sind in der Regel recht teuer. Dazu kommt, dass häufig die notwendigen Objektive größer und schwerer sind. Warum werden dann trotzdem immer wieder Kameras mit Kleinbildsensor empfohlen? Und was ist das eigentlich, dieses „Kleinbildformat“ oder auch „Vollformat“?
Das Format bezieht sich auf die Größe des Bildsensors. Sensoren im Kleinbildformat messen 24×36 Millimeter. Also exakt so groß, wie ein herkömmlicher Rollfilm. In den Anfangsjahren der Digitalfotografie behinderten Sensoren dieser Größe die schnelle Verbreitung der digitalen Kameras. Also kamen Sensoren kleinerer Abmessungen zum Einsatz. Diese kleineren Sensoren stellen die Schärfe im Bild tiefer dar, als größere Sensoren bei gleicher Blendenöffnung. Besonders bei Portraits ist das Spiel mit der Schärfe zentral. Und genau daher kommt vermutlich der Ausspruch: Kameras mit einem Kleinbildsensor verringern die Schärfeebene. So können Fotograf*innen noch feiner bestimmte Partien betonen. Bleibt allerdings die Frage nach dem praktischen Nutzen. Wie viele Portraits entstehen mit einer 1,4 Millimeter dünnen Schärfeebene? Dabei reicht schon ein leichtes Zittern des/der Fotografen*in um die Schärfeebene vom Auge auf die Wimper zu legen.
Fazit: Portraits lassen sich mit allen Kameras umsetzen. Ein Sensor im Kleinbildformat hat lediglich den Vorteil, dass bei einer Blendenöffnung die Schärfentiefe geringer ausfällt, als bei einem kleineren Sensor. Stellt sich die Frage, wie oft du davon wirklich Gebrauch machst. Ein Portrait bei einer Blende von 1.4 kommt vermutlich nicht sehr häufig vor. Denn wenn beim Model nur die Augen scharf sind, die Nase aber schon wieder nicht mehr, wirkt das auch irgendwie schräg. 🙂
„Ich kaufe nur Original-Objektive. Dritthersteller können da einfach nicht mithalten!“
Ein Mythos aus einem großen deutschsprachigen Fotoforum. „Dritthersteller“ bezeichnet alle Firmen, die nicht dem Kamerahersteller entsprechen. Als Kernaussage steht dahinter: „Eine Nikon-Kamera funktioniert am besten mit Nikon-Objektiven.“ Da beides aus dem gleichen Haus stammt, sollten wir das zumindest erwarten können. Dies sagt aber nichts über andere Firmen aus.
Denn folgst du dieser Meinung, strafst du interessante Objektive mit Nichtachtung. Dazu zählen dann Hersteller wie Zeiss, Leica oder Tokina. Und die haben so gut wie alle Objektive im Angebot, die sich locker mit den jeweiligen Pendants der Kamerahersteller messen können.
Die Grundannahme ist ja nicht verkehrt, der Fotospruch aber zu pauschal.
Folgendes will ich dir aber nicht verhehlen: In Kameras und Objektiven steckt immer mehr Elektronik. Und hier haben die hauseigenen Entwicklungen sicher Vorteile. Insbesondere wenn es um Abstimmungen zwischen Objektiv und Kamera geht. Inwiefern dies aber wirklich notwendig ist, lasse ich dann aber mal dahin gestellt.
Was ebenfalls als Argument gern ins Feld geführt wird: Die oftmals günstigeren Preise von Herstellern wie Tamron, Sigma und Tokina würde mit einer schwächeren Endkontrolle erkauft. So behaupten Befürworter gern, dass mehr fehlerhafte Objektive in den Verkauf gelangen. Statistische Belege gibt es für diese Aussagen nicht.
Fazit: Es gibt in meinen Augen keinen ernstzunehmenden Grund Objektive anderer Hersteller abzulehnen. Bei elektronischen Feinheiten, wie Autofokus, Stabilisator etc. mögen Objektive und Kameras der gleichen Hersteller vielleicht im Vorteil sein. Inwiefern dies allerdings ins Gewicht fällt… . Dazu kommt, dass einige Drittanbieter spannende Objektive im Angebot haben. Zu meinem geliebten Laowa 9/2.8 gibt es von Fuji keine (bezahlbare und ähnlich kompakte) Alternative. Mein Rat: Lass dich von „Originalobjektiv“-Sprüchen nicht verunsichern. Richtig und wichtig ist das Objektiv, dass du für deine Bilder brauchst. Ganz egal, welcher Markenname drauf steht.
„Je teurer die Kamera, desto besser werden die Bilder!“
Auch eine sehr beliebte Feststellung. In diesem Fotospruch verbirgt sich aber eine der gröbsten Fehleinschätzungen. Besonders auffällig wird dies, wenn du in Foren oder Facebookgruppen schaust. Hier beobachte ich häufig, dass Suchende sehr schnell mit teuren Kameravorschlägen bombardiert werden. Besonders schlimm, wenn Suchende keine Schmerzgrenze beim Preis festlegen. Völlig unabhängig vom Vorwissen der Suchenden werden sehr schnell hochpreisige Kameras empfohlen. Ich habe eher den Eindruck, dass die Ratgebenden ihre eigene Wunschliste abarbeiten. Und generell den Hersteller empfehlen, den sie selbst verwenden.
Betrachten wir die Sache doch einmal nüchtern: Wenn du nicht gerade im Geld schwimmst, geht’s dir in erster Linie wohl eher darum, das Hobby Fotografie kennenzulernen. Hochpreisige Geräte bieten in der Regel jede Menge Tasten und Knöpfe. Damit kannst du auf nahezu alle Faktoren eines Bildes Einfluss nehmen. Gleichzeitig steigt damit aber auch die Chance, dass du dir das (Bild-)Ergebnis vermasselst. Denn viele Einstellmöglichkeiten bieten viele Möglichkeiten der Überforderung.
Auch günstige Einsteigermodelle oder gebrauchte Kameras machen großartige Bilder, wenn du weißt, was du tust. 🙂
Nahezu alle Hersteller bieten verhältnismäßig günstige Kameras an. Bei allen machst du nichts verkehrt. Besonders am Anfang. Denn in den seltensten Fällen wissen Einsteiger*innen direkt, was sie im Einzelnen fotografieren wollen. Da stört eine übermäßige Fülle an Einstellmöglichkeiten eher die Entwicklung. Denn wenn du nur damit beschäftigt bist, die Funktionen sämtlicher Knöpfe und Räder auswendig zu lernen, gerät das tatsächliche Fotografieren schnell ins Hintertreffen. In Sachen Bildqualität sind selbst die preiswerten Einstiegsmodelle mit Sicherheit nicht der limitierende Faktor.
Fazit: Je teurer die Kamera, desto mehr Einstellmöglichkeiten gewinnst du. Gleichzeitig bedeutet das aber auch: Je mehr Einstellmöglichkeiten, desto mehr Chancen das Bild zu versauen. Gerade beim Einstieg in die Fotografie kann diese Fülle an Möglichkeiten eher hinderlich sein.
„Nach dem Kauf muss ein Objektiv auf eventuelle Fehler getestet werden!“ Mein liebster Fotospruch. 😀
Super Idee. Wenn beispielsweise Ziegelsteinwände und Zollstöcke deine bevorzugten Motive sind. Denn genau dazu führt so eine Einstellung. Kenne ich so aus eigener Erfahrung. Als ich vor einigen Jahren ein Objektiv kaufte, ließ ich mich von der „Serienstreuung bei Drittherstellern“ ordentlich ins Bockshorn jagen. Ich verbrachte also eine Menge Zeit vor Ziegelwänden. Und im Anschluss bei 400% Vergrößerung mit der Nase am Bildschirm klebend. Dabei wollte ich eigentlich mit dem Objektiv richtig ernsthaft in die Landschaftsfotografie einsteigen.
Nach unzähligen Testaufnahmen verging mir die Freude an der neuen Errungenschaft. Ich war durch den Fotospruch völlig verunsichert: Hatte ich jetzt 500€ (als Student eine Menge Kohle…) aus dem Fenster rausgeworfen? Ich lief zum Händler und ließ das Objektiv tauschen. Während ich auf den Ersatz wartete, meldete sich ein Kommentator im DSLR-Forum zu Wort. Er fragte mich provokant: „Hast du das Objektiv für Ziegelwände angeschafft?“ Er riet mir, mit der Linse „richtige“ Bilder zu machen. Draußen. Zum Sonnenuntergang. Oder irgendwas, was ich damit eigentlich vor hatte. Ein Klapps mit der Realitätskeule, den ich brauchte. Als das Ersatzmodell eintraf, zog ich direkt damit an den Strand. Ob dieses Objektiv wirklich besser war? Keine Ahnung. Die Bilder gewannen allein durch das Fehlen von Zollstöcken…
Fotograf*innen ersetzen Endkontrolle
Auf die Spitze getrieben hat das Testen übrigens Sigma: Die Firma bietet eine eigene Station an, mit der sich der Autofokus nachträglich durch Nutzer*innen feinjustieren lässt. Also noch mehr Ziegelsteinwände, Charts oder Zollstöcke als Motiv.
Fazit: Fang‘ am besten gar nicht erst an mit dem Testwahnsinn. Das soll nicht bedeuten, dass du Objektive bei offensichtlichen Fehlern nicht zurückschicken sollst. Wenn da was nicht stimmt, bestehe auf Umtausch. Aber latsch‘ nicht in die gleiche Falle wie ich. Zeit für intensivere Tests ist dann, wenn dir bei deinen üblichen Bildern technische Unzulänglichkeiten auffallen. Gehe am besten erstmal davon aus, dass deine Gerätschaften vernünftig funktionieren. Das macht das Fotograf*innenleben wesentlich entspannter. Folgst du diesem Fotospruch, wirst du vermutlich sehr schnell die Motivation verlieren.
„Je mehr Megapixel, desto besser!“
Einige Jahre lang zählte die Megapixelanzahl als schlagendes Kaufargument. Hersteller überboten sich bei neuen Kameras in der Anzahl. Es galt die Devise: Je mehr, desto besser. Die vielen Pixel forderten allerdings auch Tribut. Die Bilddateien wuchsen. Ganze Computer mussten aussortiert werden: Sie kamen mit den Datenmengen nicht mehr klar. So konnte der Kauf einer Kamera mit einigen Folgekosten verbunden sein.
Mit Nikons D800 und ihren 36 Megapxeln rückte dabei noch ein anderes gravierendes „Problem“ in den Fokus: Die begrenzte Auflösung von Objektiven. Einige findige Nutzer*innen stellten fest, dass es der teuersten Objektive bedarf, um die gigantische Auflösung von 36 Megapixeln auszureizen. Was auch immer sich hinter dieser Aussage verbirgt.
Häufig führen Verfechter*innen der riesigen Megapixel-Zahl ins Feld: Bei mehr Pixeln lassen sich viel leichter Bildausschnitte in ansprechender Auflösung realisieren. Missgünstig betrachtet vereinfacht dies die Fotografie: Nimm einfach ein Bild im Weitwinkel auf und suche dir dann spannende Ausschnitte. Das ist natürlich kein ernst gemeinter Ratschlag. 🙂 In Foren beobachte ich häufig, dass mit einer gesteigerten Zahl an Megapixeln der Kauf einer neuen Kamera gerechtfertigt wird. Dort taucht dieser Fotospruch auch am häufigsten auf. Man könnte die Kirche ja aber auch einfach im Dorf lassen. Wenn Menschen sich eine neue Kamera kaufen möchten, sollen sie dies einfach tun. Allerdings rate ich dir: Erwarte nicht, dass durch mehr Megapixel deine Bilder besser werden.
Hab‘ im Kopf, in welcher Größe du dir deine Bilder anguckst…
Was dieser Fotospruch auch nicht beachtet: Am häufigsten werden Bilder bei Facebook oder Instagram gezeigt/veröffentlicht. Dort ist die Auflösung begrenzt. Dementsprechend braucht es für diese Art der Bilderpräsentation auch keine 36 Megapixel. 🙂
Fazit: In den seltensten Fällen wird die maximale Anzahl an Pixeln auch tatsächlich genutzt. Für die meisten Anwendungen reichen sogar 6 Megapixel völlig. Aber klar, das Rad der Entwicklung dreht sich weiter.
„Richtige Fotografen bearbeiten ihre Bilder nicht!“
Ein Klassiker-Fotospruch. Häufig versuchen Äußernde damit zu betonen, dass sie ihre Bilder bereits fix und fertig aus dem Kasten holen. Denn früher, zur analogen Zeit, gab es keine Möglichkeiten Bilder nachträglich so zu verändern, wie es heute mit Photoshop der Fall ist. Bei einem Blick in die Geschichte fällt aber auf, dass Bilder bearbeitet werden, seit es die Möglichkeit gibt, diese zu fixieren.
So wurden auch schon vor einigen Jahrzehnten Dias oder Negative auseinander geschnitten und zusammengeklebt. So ließ sich beispielsweise ein spektakulärer Himmel nachträglich in ein Bild einfügen. Oder es wurden mit einem feinen Bleistift Kontrastkanten nachgezeichnet. Einige der Werkzeuge in Photoshop zeugen von dieser Anlehnung: Abwedeln, Nachbelichten etc. .
Ein weiterer Punkt wird ebenfalls gern übersehen: Denn bereits die Bilder aus der Kamera sind bearbeitet. Algorithmen übernehmen die Interpretation der Informationen aus den Pixeln und erstellen daraus das fertige Bild. Und hier kannst du schon eingreifen, in dem du den Weißabgleich veränderst, die Farben verstärkst oder die Kontraste erhöhst.
Philosophisch betrachtet könnten wir auch noch weitergehen: Denn bereits mit dem Festlegen des Bildausschnitts bearbeitest du das Bild. Du entscheidest damit, was auf deinem Bild zu sehen sein wird. Nimmst damit also bereits eine Bearbeitung vor.
JEDES Bild ist bearbeitet: Mal mehr, mal weniger.
Bilder wurden und werden bearbeitet. Daran ist nichts verwerflich und auch kein Qualitätssiegel zu erkennen. Ich persönlich finde es schöner, wenn ich im Nachhinein nicht elendig lang am Rechner sitzen muss, damit meine Bilder so aussehen wie ich es mir vorgestellt habe. Das ist aber meine persönliche Ansicht. Ich kenne einige Fotograf*innen, die sehr viel Zeit mit der Nachbearbeitung verbringen. Die Ergebnisse geben ihnen damit auch recht.
Und was du auch im Kopf behalten solltest: In der Nachbearbeitung liegt die beste Möglichkeit, deinen eigenen Stil zu entwickeln.
Fazit: Auf Nachbearbeitung zu verzichten ist weder ein Qualitätsmerkmal noch sinnvoll. Denn erst durch die Nachbearbeitung werden aus guten Fotos herausragende Aufnahmen. Also, lass‘ dir nicht erzählen, dass Profis ihre Bilder nicht bearbeiten. Ganz im Gegenteil. Denn dadurch kannst du deinen eigenen Bildstil entwickeln.
„Ab ISO 800 rauscht meine Kamera viel zu doll!“
Na, über so einen Fotospruch bist du doch bestimmt auch schon gestolpert, oder? Das geht sogar soweit, dass einige Fotograf*innen generell NIE höhere ISO-Empfindlichkeiten nutzen, als die genannten 800 (oder 400, oder 640 etc.). Auf die Frage warum: Das Rauschen würde den Bildeindruck verfälschen, die Bilder unsauber aussehen lassen und noch einiges mehr. Und ja, anfangs (2007) störte mich das Rauschen meiner D50 bei ISO 800 schon sehr. Besonders wenn ich mir die Bilder in Originalgröße ansah. Bis mir mal jemand den Tipp gab: Wie oft druckst du dir Bilder eigentlich im 100% Äquivalent aus? Gute Frage. Ich lief direkt im Anschluss mal los und druckte mir bei Rossmann ein paar meiner Bilder auf 10 x 15 cm aus. Und siehe da. Waren die Bilder weitestgehend unansehnlich bei 100% am Monitor, war vom Rauschen auf dem Ausdruck einfach nichts zu sehen.
Und wenn ich mir überlege, dass das schon bei einer Kamera aus dem Jahre 2005 so deutlich war, sollte es bei den aktuellen Kameras nun wirklich keine Probleme mehr geben.
Hohe Lichtempfindlichkeit = weniger Dynamikumfang des Sensors
Was bei diesem Fotospruch als Ergänzung fehlt: Mit zunehmender Lichtempfindlichkeit sinkt der Dynamikumfang der Kamera. Heißt: Je empfindlicher der Sensor, desto weniger Lichtunterschiede verkraftet er. Paradebeispiel ist ein Sonnenuntergang am Strand. Entweder der Himmel sieht gut aus und der Strand ist fast schwarz. Oder der Strand ist gut zu erkennen und der Himmel weiß.
Fazit: Ich persönlich sehe keinen Grund, die Lichtempfindlichkeit einzuschränken. Denn lieber habe ich ein Bild bei ISO 12.800, als gar keins. In manchen Bereich lassen sich so hohe Empfindlichkeiten auch gar nicht vermeiden, beispielsweise in der Astrofotografie. Lass‘ dich von der 100%-Ansicht nicht verunsichern. In den meisten Fällen ist das Bildrauschen bei normaler Betrachtung gar nicht zu erkennen. Mein Schlusssatz zu diesem Fotospruch: Wenn das Bildrauschen der einzig verbliebene Kritikpunkt an meinen Bildern ist, habe ich wohl einiges richtig gemacht. 🙂