Portraitfotografie – Ein Blick hinter die Linse und direkt in die Seele

Ein Gastbeitrag zur Portraitfotografie des Fotografen Ralf Schönenberg.


Die Welt der Portraitfotografie ist eine faszinierende Symbiose aus Technik und Kunst, in der Fotograf*innen eine emotionale Verbindung zu ihren Motiven / Modellen herstellen.

In diesem Artikel tauchen wir ein in die verschiedenen Aspekte der Portraitfotografie, von der Schärfentiefe über das Licht bis zu den Augenreflexen, und entdecken, wie sie zusammenkommen, um unvergessliche Portraits zu schaffen.

In der Portraitfotografie verschmelzen Technik und Emotion zu einem harmonischen Ganzen.

Die bewusste Anwendung von Schärfentiefe, Blendenöffnungen, Brennweiten, Lichtführung und anderen Elementen ermöglicht es uns, einzigartige Geschichten durch unsere Bilder zu erzählen.

Letztendlich ist es das Zusammenspiel all dieser Faktoren, gepaart mit unserem Einfühlungsvermögen, das ein herausragendes Portrait schafft – ein zeitloses Kunstwerk, das die Persönlichkeit und Schönheit des Modells einfängt.

Portrait Ralf Schönenberg in schwarzweiß

Mein Name ist Ralf Schönenberg aus dem wunderschönen Herdecke. Fotografieren ist vom geliebten Hobbie zu meinem geliebten Beruf geworden. Da ich Menschen mag, ist meine Passion Menschen zu fotografieren. Im privaten, im sehr privaten ebenso wie im beruflichen Umfeld.
Mehr von Ralf findest du auf seiner Website: fine-art-pics.com.

Viel Gefühl beim Fotografieren ist richtig wichtig

Die Chemie zwischen Fotograf*in und Modell spielt eine, wenn nicht DIE entscheidende Rolle.

Ein gutes Gefühl zu vermitteln, schafft eine entspannte Atmosphäre und trägt dazu bei, authentische und natürliche Portraits zu kreieren.

Die Fähigkeit, das Vertrauen des Modells zu gewinnen, kann den entscheidenden Unterschied ausmachen.

Nimm dir die Zeit und rede mit deinen Modellen.

Ein Kaffee vor’m Shooting ist oft wichtiger als das top Objektiv, noch mehr Iso, oder Pixel auf dem neuesten Sensor, die 1200 WS Hensel Blitzanlage oder die super Location.

Erzähl was von dir und versuche, eine vertrauensvolle Atmosphäre herzustellen; persönlich, emotional, gut gelaunt.

Oft ist ein technisch unperfektes Bild perfekter als ein komplett gestelltes Bild an dem eigentlich alles stimmt. Es geht um den Moment und manchmal unterstreicht die „Zufälligkeit“ eben die Spontanität die in der Aufnahme zu finden ist und vielleicht sogar sein soll.

Schärfentiefe und Blendenöffnungen

Ein entscheidender Faktor für beeindruckende Portraits ausserhalb des Studios ist die Schärfentiefe.

Die Wahl der Blendenöffnung spielt hier eine Schlüsselrolle. Eine geringe Blendenzahl (wie f/1.4) erzeugt eine geringe Schärfentiefe, wodurch der Hintergrund verschwimmt und das Hauptmotiv in den Fokus rückt.

Dies schafft nicht nur ästhetisch ansprechende Bilder, sondern hilft auch dabei, die Aufmerksamkeit der Betrachtenden auf das Wesentliche zu lenken (Stichwort: Freistellung)

Brennweiten und Perspektiven

Die Auswahl der Brennweite beeinflusst das Erscheinungsbild des Portraits erheblich. Eine kurze Brennweite (z.B., 35mm) eignet sich gut für Umgebungsportraits, während längere Brennweiten (z.B., 85mm oder 135mm) eine angenehme Kompression erzeugen und für Portraits mit mehr Hintergrundunschärfe sorgen. Für das Bokeh (künstlerische Hintergrundunschärfe) ist es wichtig, das Modell weit vom Hintergrund entfernt zu stellen.

Kurze Brennweite, um die Umgebung einzufangen

Die richtige Lichtführung ist entscheidend für gelungene Portraits. High Key und Low Key sind zwei beliebte Techniken.

High Key vs. Low Key

Ich mag zum Beispiel bei Hochzeiten helle Hintergründe, sowie Gegenlichtaufnahmen. Bei mystischen Portraits eignen sich eher dunkle Hintergründe

High-Key-Aufnahme, die hellen Bildanteile überwiegen und erzeugen eine freundliche, fröhliche Atmosphäre.

High Key setzt auf helle, gleichmäßige Beleuchtung, in der die hellen Anteile im Bild dominieren, während Low Key kontrastreiche Lichtverhältnisse nutzt, um dramatische Effekte zu erzielen.

Low-Key-Aufnahme, dunkle Bildanteile überwiegen, es entsteht eine düstere Atmosphäre

Man kann auch bei diffusen Umgebungslicht das Modell stark anblitzen, um die Umgebung abzudunkeln, oder das Modell in den Schatten stellen um die Umgebung hell wirken zu lassen.

Kontraste, Klarheit und Schnitt

Die gezielte Anpassung von Kontrasten und Klarheit in der Nachbearbeitung kann einem Portrait Tiefe und Ausdruck verleihen. Der richtige Schnitt, ob klassisch oder experimentell, setzt das Motiv optimal in Szene und betont die gewünschten Details.

Ein Gesicht muss nicht immer voll im Bild zu sehen sein. Ausserhalb eines biometrischen Passbildes kann man schneiden. Nur eine Gesichtshälfte, die Haare an der Stirn abschneiden.. die Kamera schräg halten, wieso nicht? Es ist Kunst! Da ist alles erlaubt, was Dir und dem Modell gefällt.

Augenreflexe und die Kunst des Ausdrucks

Die Augen sind die Fenster zur Seele, und in der Portraitfotografie liegt der Fokus fast immer auf dem Ausdruck im Blick. Das Einfangen von Augenreflexen, sei es bei natürlichem Licht oder künstlicher Beleuchtung, verleiht den Augen eine Lebendigkeit, die die Emotionalität des Portraits verstärkt. Ein Bild ohne Lichtreflex ist in den meisten Fällen ein totes Bild… das kannst du natürlich auch bewusst als Stilmittel für besonders düstere Stimmungen einsetzen.

Available Light versus Blitz und Reflektor

Der Einsatz von natürlichem Licht, einem Reflektor oder einem Blitz eröffnet dir zahlreiche Möglichkeiten, die Stimmung des Portraits zu beeinflussen.

Die Wahl zwischen Available Light – also dem Licht was die Umgebung hergibt – und künstlicher Beleuchtung hängt von den individuellen Vorlieben und der gewünschten Stimmung ab.

Portrait mit Blitzlicht aufgenommen

Available Light bietet oft eine natürliche Ästhetik, während Blitz oder Reflektor mehr Kontrolle ermöglichen. Der aufwendigere Einsatz von Blitz und Reflektor kann jedoch beeindruckende Ergebnisse liefern, besonders in herausfordernden Lichtverhältnissen. Optimal ist aus meiner Sicht meist eine Kombination aus beidem. So kann man aus beiden Welten die Vorteile verschmelzen lassen.

Mischung aus Blitz und vorhandenem Licht.

Für den Blitz gibt es bei mir eine Grundregel. Je mehr Sonne scheint, desto mehr Blitzleistung ist erforderlich. Denn sonst brennen die hellen Bereiche aus, oder die dunklen saufen ab.

Blitzlicht als kreatives Werkzeug

Ein Blitz kann in den meisten Fällen eine kraftvolle Bereicherung sein. Durch gezielte Lichtführung können Schatten aufgehellt, Details betont und eine bestimmte Stimmung erzeugt werden. Es ist faszinierend zu sehen, wie Licht und Schatten die Konturen eines Gesichts formen und die Ausdruckskraft eines Portraits verstärken können.

Ein Blitz auf der Kamera ist in der Reportagefotografie zum Beispiel auf Hochzeiten oder bei bewegten Motiven unersetzlich, da sich die Lichtverhältnisse ständig ändern. In diesem Fall lohnt sich das Blitzen über ETTL. So erhältst du sehr wenig Ausschuss.

Anders ist es bei gezielten Shootings, bei denen du eine kreative Lichtidee im Kopf hat.

Diese würde ich stets über einen extern angesteuerten Blitz, welcher in der Regel im 45 Grad Winkel vor dem Modell schräg von oben blitzt, beleuchten.

Ich stelle meine Modelle mit Ausnahmen von Sonnenbrillenshootings IMMER mit dem Rücken zur Sonne, oder in den Schatten. Im Schatten kann ich das Modell über den Blitz beliebig aufhellen, oder durch geringe Blitzleistung den Hintergrund hell erscheinen lassen. Das geht zum Beispiel auch an Regentagen. Ich stelle mein Modell in eine Tiefgarage, oder unter einen schwarzen Pavillon und der verregnete Hintergrund ist plötzlich so hell, das es aussieht, als würde die Sonne scheinen. In der Nachbearbeitung etwas die Gelbtöne angehoben und schon bekommst du ein sonniges Bild ohne grossen Aufwand.

Schwarzweiß als künstlerische Dimension

Die Entscheidung für Schwarzweiß in der Nachbearbeitung eröffnet eine ganz neue künstlerische Dimension. Durch den Verzicht auf Farbe rücken Formen, Kontraste und Emotionen in den Vordergrund. Die Möglichkeit, bestimmte Rottöne zu betonen oder abzudunkeln, zeigt, dass dir die digitale Bearbeitung nicht nur Korrekturen ermöglicht, sondern du damit eine persönliche Handschrift in deinen Bildern hinterlassen kannst.

Mit Lightroom kann man einzelne Rottöne aufhellen, oder abdunkeln, so kannst du zum Beispiel Sommersprossen verschwinden lassen. Im umgekehrten Fall kannst du Sommersprossen in den Mittelpunkt stellen, indem du den entsprechenden Rotton verstärkst und damit sichtbarer machst.

Fokus auf die Augen

Die Augen sind der Spiegel der Seele, und durch sie können wir die Emotionen und Gedanken des Modells regelrecht spüren.

Das Spiel mit Licht und Schatten in diesem Bereich verstärkt nicht nur die Ausdruckskraft, sondern ermöglicht auch, gezielt auf Details wie Sommersprossen einzugehen und so eine natürliche Ästhetik zu bewahren.

Vielfalt der Emotionen

Die Vielfalt der Emotionen, die in einem Portrait eingefangen werden können, ist faszinierend. Die Trauer, Freude und andere Gefühle, die durch den Ausdruck des Modells, die Lichtführung und die Blickrichtung vermittelt werden, machen jedes Portrait zu einer einzigartigen Erzählung.

Das beweist, dass man nicht immer in die Kamera schauen muss, um eine starke emotionale Verbindung im Bild herzustellen.

In der Portraitfotografie geht es nicht nur darum, ein Gesicht abzubilden, sondern eine Geschichte zu erzählen. Die richtige Anwendung von Licht, Farbe und Fokus kann dazu beitragen, diese Geschichten auf eine fesselnde und emotionale Weise zu präsentieren. Es ist diese kreative Herangehensweise, die die Portraitfotografie zu einer so faszinierenden Kunstform macht.

Und es erfreut in der Regel sowohl uns Fotografierende als auch die fotografierte Person.

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